Falsches Sitzen am Arbeitsplatz: Häufige Fehler und die Folgen
Eines der größten Probleme unserer heutigen Zeit ist das andauernde und falsche Sitzen. Unser Körper ist auf Bewegung programmiert. Ohne ausreichend Bewegung werden Muskeln, Nerven, Sehnen, Bänder und das Skelett – im Grunde genommen alle Zellen nicht mit ausreichend Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Das macht sie anfälliger für Krankheiten und verlängert die Regenerationszeit. Wir fühlen uns müde, verspüren Verspannungen und bekommen Schmerzen. Zu viel Sitzen und vor allem falsches Sitzen machen uns krank. Dabei ist es gar nicht schwer, etwas dagegen zu tun. Was genau, das erfahren Sie neben vielen weiteren wichtigen Informationen in diesem Beitrag.
Sitzen – eine Grundhaltung des Menschen
Auch wenn Sitzen zu einer der Grundhaltungen des menschlichen Körpers zählt, die zudem als erholend und entspannend eingestuft wird, avanciert es doch immer mehr zu einem Zustand, der uns auf Dauer krank macht. Noch heute wird in den gesellschaftlichen Umgangsformen das Sitzen als Privileg erachtet, obwohl Statistiken zeigen, dass zu viel und falsches Sitzen für eine Menge körperlicher Beschwerden verantwortlich ist. Bereits 2015 wies das Deutsche Ärzteblatt darauf hin, dass Menschen in Deutschland zu viel Sitzen – im Schnitt bis zu 7,5 Stunden am Tag (1)
Viele von uns, die sich einmal ihren Tagesablauf bewusst machen, werden feststellen, dass sie zu den „Vielsitzern“ zählen.
Man steht morgens auf und geht ins Bad. Wer sich die Zeit nimmt, sitzt kurz danach am Frühstückstisch. Dann geht es entweder ins Auto, den Bus oder die Bahn um den Weg zur Arbeit sitzend hinter sich zu bringen. Wer im Büro arbeitet, hat bis hierhin schon 1-2 Stunden Sitzen hinter sich gebracht. Im Büro heißt es für die meisten auch wieder Sitzen am Arbeitsplatz, doch nicht nur hier. Im Supermarkt an der Kasse, im Labor hinter dem Mikroskop, in der Bank, bei der Versicherung, im Autohaus – die Menschen, die am Arbeitsplatz sitzen, werden immer mehr. Und selbst wer seinen Arbeitstag nicht sitzend verbringt, wird zumindest die Pausen für das Ausruhen im Sitzen nutzen und auch abends wieder sitzend nach Hause fahren. Ein bisschen Haushalt, Einkaufen, Sport oder ein anderes Hobby sorgen eventuell für 1-2 Stunden Bewegung, bevor der durchschnittliche Deutsche dann wieder mehrere Stunden am PC oder vor dem TV sitzend verbringt.
Was passiert beim Sitzen?
Sitzen hat entscheidenden Einfluss auf die natürliche Krümmung unserer Wirbelsäule und bringt diese in eine ungesunde anatomische Haltung.
Unser Becken hat beim Sitzen die Form einer Schale und zeigt mit dem Boden Richtung Sitzfläche. Im Sitz hat diese Schale die Tendenz, wie eine Murmel in alle Richtungen zu rollen. Dabei kippt sie der Schwerkraft entsprechend immer zum tiefsten Punkt, der bei einem Stuhl in der Regel Richtung Stuhllehne liegt. Das bedeutet, unsere Beckenschale kippt nach hinten – die LWS Lordose wird aufgehoben. Das verursacht gleichzeitig eine Veränderung der BWS Kyphose, was wiederum in der HWS für eine Hyperlordose sorgt. Um geradeaus zu schauen, schieben wir den Kopf noch vorne und weit in den Nacken.
HWS, BWS und LWS greifen wie Zahnräder ineinander, die sich entgegengesetzt bewegen. So hat die Bewegung eines Wirbelsäulenabschnitts immer unmittelbaren Einfluss auf die anderen beiden Wirbelsäulenabschnitte. Auch wenn eine Stuhllehne einen Teil dieses Prozesses abfedert, treten bei langem starrem Sitzen unweigerlich Probleme auf.
Beim Sitzen passiert außerdem Folgendes: Es entsteht Druck im Becken und auf dem Zwerchfell. Außerdem wird der Kopf weit vor den Körper geschoben. Die Nackenmuskulatur muss nun Schwertarbeit leisten. Zudem sitzt man nun nicht mehr auf den Sitzbeinhöckern, sondern rutscht auf das Kreuzbein und Steißbein. Die erhöhte Belastung der Bandscheiben, die zudem von Druck und Zug leben und in einer starren Haltung „verhungern“, führt unweigerlich zu Schädigungen in deren Strukturen.
Gut zu wissen
Die natürlichen Krümmungen der Wirbelsäule wie LWS-Lordose, BWS-Kyphose und HWS-Lordose haben wichtige Schutzfunktionen im Hinblick auf die Strukturen der Wirbelsäule. Hebt man diese Krümmungen durch bestimmte Körperhaltungen auf, geht ein wichtiger Schutzmechanismus verlorenWas passiert, wenn man falsch sitzt? – Folgen von zu langem oder falschem Sitzen
Neben klassischen Rückenschmerzen können weitere Beschwerden wie Probleme mit dem Blutdruck, Diabetes und Arthrose in den großen Gelenken entstehen.
Der Stoffwechsel verändert sich:
Für das Sitzen benötigt unser Organismus weniger Energie – der Stoffwechsel wird also heruntergefahren. Das wiederum erhöht auf Dauer das Risiko für typische Stoffwechselerkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes. Ein wichtiger Faktor dabei ist das Bauchfett, denn dieses ist bekannt dafür bestimmte Botenstoffe zu produzieren, die im Körper zu entzündlichen Prozessen führen können.
Im Gegensatz zum sogenannten Hüftgold und Fetteinlagerungen an den Beinen, die in der Regel als ungefährlich eingestuft werden, gilt das Bauchfett sogar bei ansonsten recht schlanken Menschen als gefährlich.
In einer der bislang größten angelegten Studien zum Thema Bauchfett wurde festgestellt, dass dieses, anders als das Fett an Hüfte und Beinen, sogar für mehrere vorzeitige Todesursachen verantwortlich ist.(2)
Rückenbeschwerden nehmen zu
Es ist allgemein bekannt, dass lange Passivität sich äußerst ungünstig auf unsere Muskulatur auswirkt. Diese Tatsache macht auch vor der Rückenmuskulatur nicht halt. Ihre Leistungsfähigkeit nimmt ab und es kommt zu Schonhaltungen, Muskelverkürzungen und in deren Folge zu verstärkten Schmerzen in der Rücken- und Nackenmuskulatur.
Gut zu wissen
Bequemlichkeit macht krank. Das wird bestätigt durch die Tatsache, dass in westlichen Gesellschaften Rückenschmerzen eine der häufigsten Gesundheitsstörungen sind.Weitere Beschwerden:
1. Tumore
Eine prospektive Kohortenstudie, die in den USA an 8002 Erwachsene im Alter von 45 Jahren oder älter durchgeführt und in die Studie „Reasons for Geographic and Racial Differences in Stroke (REGARDS)“ aufgenommen wurde konnte nachweisen, dass Sitzen nicht nur das Krebsrisiko deutlich erhöht, sondern auch die Lebenserwartung bei etwaigen Erkrankungen herab setzt. (3)
Die Forscher zeigten anhand ihrer Ergebnisse, dass die Probanden die während des Untersuchungszeitraums zwischen 2009 und 2013 am meisten gesessen hatten, ein um 82 % höheres Risiko aufwiesen an einer Krebserkrankung zu sterben, als diejenigen, die sich mehr bewegten. Alle Probanden waren bei Antritt der Studie mindestens 42 Jahre alt und hatten keine Krebserkrankungen.
2. Herzerkrankungen
In den USA untersuchte die Mayo Clinic die Gesundheit von Menschen, die unterschiedlich viele Stunden vor dem TV verbrachten, sich aber gleich ernährten und gleich viel Sport trieben. Festgestellt wurde, dass die Menschen, die mehr Sitzen ein um 125 % höheres Risiko für eine Herzerkrankung aufwiesen, als die Menschen, die weniger saßen. (4)
Starres Sitzen ist falsches Sitzen
Stundenlang in der gleichen Haltung zu verharren ist für unseren Körper reines Gift. Hinzu kommen weitere Arten des falschen Sitzens wie:
- nach vorne gebeugtes Sitzen
- zu hohes oder zu tiefes Sitzen
- Neigung oder seitliche Verdrehung von Kopf und/oder Oberkörper
Richtiges Sitzen
Auch beim Sitzen heißt das Zauberwort Bewegung. Dynamisches Sitzen erlaubt es einem, die Sitzposition immer wieder zu ändern. Um das zu ermöglichen sind ergonomische Bürostühle konzipiert worden. Die Rückenlehne solcher ergonomische Bürostühle ist flexibel und kann sich somit der jeweiligen Rückenposition anpassen und diese gleichzeitig stützen.
Ständige Bewegung regt die Durchblutung der Muskulatur an, bringt den Stoffwechsel zumindest ein wenig in Schwung und nimmt den dauerhaft einseitigen Druck von den Bandscheiben. Außerdem bieten ergonomische Stühle viele weitere Einstellungen wie zum Beispiel Höheneinstellungen und Veränderungen der Armlehnen, sodass sie sich einfach und schnell auf jede neue Position, Situation und auch Person einstellen lassen.
Gut zu wissen
Geplante kurze Bewegungspausen über den Tag verteilt helfen dabei, Sitzbeschwerden zu lindern. Außerdem gibt es weitere nützliche Maßnahmen wie: Treppensteigen, statt den Aufzug zu benutzen, Besorgungen zu Fuß oder mit dem Rad erledigen und Mittagspausen für einen Spaziergang nutzen.So wird aus Sitzfrust schnell Sitzlust
Mit der richtigen Sitzhaltung schonen Sie nicht nur Ihren Körper. Auch die Arbeit geht leichter von der Hand und Sie verspüren seltener Verspannungen und Schmerzen. Zum Anfang wird es den etwas Faulen unter den Dauersitzern sehr anstrengend vorkommen, gerade und aufrecht zu sitzen. Aber wenn Sie es durchziehen, werden Sie schnell von einer guten Sitzhaltung profitieren. Die Anstrengung sorgt außerdem dafür, dass Sie bei genügend Achtsamkeit eher Ihre Sitzposition ändern und auch ab und zu aufstehen und sei es nur für den Gang um den Schreibtisch, in die Teeküche oder ans Fenster. Auch hier gilt wieder: „Jeder Gang macht schlank“. Auch wenn es vordergründig nicht ums reine Abnehmen geht, wird mit jeder Bewegung auch der Stoffwechsel aktiviert.
Gut zu wissen
Der Stoffwechsel von Bandscheiben funktioniert nur bei Bewegung. Wichtig sind wechselnde Druck- und Zugkräfte. Bei Entlastung saugen sie sich wie ein Schwamm mit Nährstoffen voll. Unter Druck geben sie Schadstoffe ab.Wie sollte man im Büro sitzen? – Die ideale Sitzposition
Als Faustregel für richtiges Sitzen kann man sich einfach merken:
- Straight & Forward
Gerade und nach vorn – bedeutet, dass Sie gerade und aufrecht sitzen und der Blick optimalerweise nach vorn gerichtet ist.
Tipps für das richtige ergonomische Sitzen
Tipp #1
Das Becken nach vorne kippen, um die Lordose in LWS aufrechtzuerhalten.
Tipp #2
Die Oberschenkel sollten leicht nach vorne abfallen, denn das vermindert den Druck auf die LWS und das Steißbein.
Tipp #3
Die Schulterblätter zeigen entspannt nach hinten unten wobei die Schulter-Nackenmuskulatur so locker wie möglich erscheint.
Tipp #4
- Brustbein nach vorn oben strecken – nimmt den Druck vom Zwerchfell und verbessert die Atmung
- Kopf in gerader Linie zur Wirbelsäule eingestellt – Blick gerade nach vorn
Was sollte man beim richtigen Sitzen beachten?
Der Körper ist dankbar für jede Abwechslung und Auflockerung. Daher ist mindestens alle 60 Minuten eine Bewegungspause und Aufstehen angesagt. Nur im Sessel räkeln reicht bei Weitem nicht aus.
Anregungen für die Bewegungspausen
Den Körper unterstützen
Ein paar Kniebeuge und leichte Dehnungen für den Schulter- und Nackenbereich sind an jedem Ort möglich und einfach durchzuführen. Und auch ein paar Schritte durch den Raum, zur Toilette oder zum Kaffee holen sind in der Regel kein Problem.
Den Kopf entlasten
Es ist natürlich erlaubt und durchaus sinnvoll, den Kopf und angestrengten Nacken zwischendurch zu entlasten. Dafür beugen Sie sich auf dem Stuhl nach vorne, stützen die Ellenbogen auf den Oberschenkeln auf und lassen die Stirn in die Hände sinken. So können Sie einige Minuten verharren und dabei bewusst in den Rücken atmen.
Anlehnen
Um zwischendurch das Becken zu entlasten, ist Anlehnen erlaubt und erwünscht. Dazu bewegen Sie das Becken ein kleines Stück nach vorn und lassen den Rücken gegen die Lehne sinken, bis Sie wahrnehmen können, wie der Druck auf Hüften und den unteren Rücken nachlässt.
Abstützen
Wenn die Hände einmal nichts zu tun haben, ist das Abstützen mit den Unterarmen eine gute Möglichkeit, Rücken und Gesäß zu entlasten. Leichtes Vor- und Zurückbewegen verstärkt den Effekt.
Hände in den Nacken
Auch das ist zwischendurch immer wieder möglich. Mit den Händen im Nacken können Sie zum einen die Brustwirbelsäule mobilisieren und zum anderen auch einen Dehnreiz auf die vordere Brustmuskulatur ausüben. Beides kann sich sehr angenehme anfühlen. Tiefes Atmen verstärkt den Effekt.
Der Schneidersitz
Auf einen Stuhl sicher nicht ganz einfach auszuführen, lockert der Schneidersitz Hüfte, Gesäß und unteren Rücken und führt in Verbindung mit bewusster tiefer Atmung gleichzeitig zu innerer Ruhe. Mit einem Kissen oder einer Decke können Sie ihn auf dem Boden neben dem Schreibtisch praktizieren.
Becken mobilisieren
Dazu müssen Sie nicht einmal aufstehen, denn das Becken können Sie wunderbar im Sitzen vor und zurückkippen und sogar kreisen. Wenn Sie etwas geübter sind, macht die Übung im Stehen noch mehr Spaß.
Schulter kreisen
Auch das ist alle paar Minuten einmal drin, spätestens dann, wenn der Wecker an Ihrem Smartphone klingelt und Sie an Ihre Bewegungspause erinnert.
Der höhenverstellbare Schreibtisch

Damit Sie nicht zum Dauersitzer werden, ist ein höhenverstellbarer Schreibtisch, der sich einfach zum Steharbeitsplatz umwandeln lässt eine perfekte Lösung, um den Arbeitsalltag aufzulockern und Sie in Bewegung zu halten. Wenngleich dauerhaftes Stehen genauso ungesund wie ständiges Sitzen ist, führt der ständige Wechsel zwischen diesen beiden Grundhaltungen zu einer gesundheitsfördernden Dynamik.
Einfach mal lang machen
Unsere Bandscheiben sind während allen vertikalen Körperhaltungen starken Druckbelastungen ausgesetzt. Nur eine horizontale Körperlagerung, die mindestens 20 Minuten eingenommen wird, entlastet die Bandscheiben, sodass diese sich durch den nun entstehenden Unterdruck mechanisch mit Wasser anreichern können.
Fazit:
Auch wenn richtiges Sitzen am Anfang Arbeit bedeuten und sehr anstrengend sein kann, lohnt sich die Mühe. Besonders wenn man bedenkt, welche Folgen falsches Sitzen haben kann. Durch ständiges Üben und kontinuierlich dynamisches Sitzen gepaart mit zusätzlicher Bewegung und reduzierten Sitzzeiten in der Freizeit, geht Ihnen die richtige Sitzposition schnell in Fleisch und Blut über. Außerdem werden Sie sich körperlich besser fühlen, was zusätzlich motiviert.